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Paulskirche

Orte, Personen und Institutionen der Demokratiegeschichte in Hessen
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Die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848/49

Die französische Revolution im Februar 1848 stürzte den erst 1830 gewählten “Bürgerkönig” Louis Philippe und die damals beschlossene Verfassung, mit der die Nationalversammlung die Mitsprache des Volkes noch dem Zensuswahlrecht unterwarf. 1848 entstand dann eine Republik mit uneingeschränkten demokratischen Rechten für den männlichen Teil der Bevölkerung. Nicht umsonst organisierten sich nun auch Frauen für ihre Gleichberechtigtung, in Deutschland mit mehr Erfolg als in Frankreich.

Übersicht:

  • Ausgangsbedingungen
  • Das Vorparlament
  • Die Nationalversammlung
  • Das Ende der Nationalversammlung
  • Frankfurter Septemberaufstand und politische Verhältnisse in Frankfurt (>dorthin)
  • Erinnerungskulturelle Bedeutung (>dorthin)
  • Erwähnte Quellen zur Nationalversammlung (>dorthin)

Demokratiegeschichte Hessen
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Aktuelle Veranstaltungern und Berichte zum Jubiläum 175. Jahre 1848er Revolution - Übersicht hier unten

Ausgangsbedingungen

Wie 1830 schon hatte auch die Februarrevolution 1848 in Frankreich eine Signalwirkung für ganz Europa. In Deutschland, d.h. in den Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes, traf dieses Signal auf viele liberale und demokratische Vereine, die sich v.a. in den Städten gebildet hatten, und auf Abgeordnete in existierenden Landtagen und “Ständekammern”, in denen sie zwar Mitsprache im Wortsinne hatten, aber keine echte Mitentscheidung, wie es >Georg Büchner 1834 drastisch kritisierte. Dass die liberale und demokratische Bewegung in Deutschland auch von sich aus mehr Rechte erkämpfen wollte und dazu konkrete Schritte vorgesehen hatte, zeigte die 1847 durchgeführte >Heppenheimer Tagung, doch der Impuls aus Frankreich beschleunigte und radikalisierte alles schon im März darauf.

Der “Heppenheimer Kreis” um den Mannheimer Karl Mathy organisierte über seine Verbindungen zu den Abgeordneten in den Landtagen und Ständekammern die Einberufung des Frankfurter Vorparlaments, viele “Heppenheimer” waren auch anschließend Mitglieder der Nationalversammlung.

Deutschland hatte keine Hauptstadt wie Paris, wo sich de facto die Revolution entschied, das fehlende Zentrum war und blieb ein Problem. Erste Demonstrationen wurden aufgrund deren Niederschlagung durch das Militär ziemlich gleichzeitig in Wien und Berlin ab dem 13./14. März zu gewaltsamen Aufständen. Bürgerbewaffnung und Barrikadenkämpfe zwangen de herrschenden Monarchen zum Nachgeben - oder ließen es ihnen geratener erscheinen, vorläufig einzulenken -, Presse- und Vereinsfreiheit wurden gewährt, “Märzminister” in die Regierungen berufen und die Wahl einer Nationalversammlung in Aussicht gestellt.

Das Vorparlament

Die Initiative für ein “deutsches Parlament” ging von den südwestdeutschen Liberalen aus. die dies schon ihrer Mannheimer Petition am 27. Februar forderten, ebsnso die Heidelberger am 5. März, die einen Siebenerausschuss wählten, der dern Prozess zur Wahl einer Nationalversammlung einleiten sollte. Darin vertreten waren prominente süddeutsche Liberale, darunter zwei Hessen: >Heinrich von Gagern aus Darmstadt und Georg Christoph Binding aus Frankfurt. Durch die Vernetzung von Liberalen und Demokraten, Abgeordneten in den bisherigen Ständekammern und Aktivisten in den Vereinen. einigte sich der Ausschuss auf eine Liste einzuladender Vertreter für ein Vorparlament, das dann in Frankfurt vom 31. März bis 4. April zusammentrat. Aufgrund dieser Entstehungsgeschichte war es alles andere als repräsentativ und die kompromissbereiten Liberalen fürchteten - zu Unrecht - ein zu großes Gewicht der Demokraten, unter denen sich auch die badischen Radikaldemokraten Struve und Hecker befanden.

Beim feierlichen Einzug der Mitglieder des Vorparlarments standen links im Bild Vertreter der Turnvereine in weißer Uniform und rechts eine Bürgergarde Spalier. “Da sich schon im Vorfeld der Versammlung die politischen Gegensätze zwischen Republikanern und Anhängern einer konstitutionellen Monarchie artikuliert hatten und beide Richtungen über gewaltbereites, zum Teil von außerhalb angereistes ’Fußvolk’ verfügten, [...] wurde entschieden, den Paulsplatz durch eine Bürgergarde abzusperren.” (Ruttmann, S. 102). Auch andernorts hatten die Bürgergarden, die im weiteren Verlauf der Revolution keine große Rolle spielten, somit die Aufgabe, die neuen Mandatsträger auch gegen revolutionären Protest von außen zu schützen.

Die 574 Mitglieder des Vorparlaments hatten bei zehnminütiger Redezeit pro Person und Vorstrukturierung der Verhandlung durch den Siebenerausschuss nur wenig Möglichkeiten, über Verfahrensweisen für die Wahl einer Nationalversammlung hinauszugehen. Schon am ersten Sitzungstag stellte Gustav Struve einen ultimativen Antrag, der keine Mehrheit fand und damit die weitere Entwicklung prägte. Struve plädierte dafür, das Vorparlament  zur Volksvertretung zu erklären und grundlegende Verfassungsforderungen für eine Republik zu beschließen, darunter die Aufstellung eines Volksheeres. Nach ihrem Misserfolg zogen sich Struve und Hecker nach Baden zurück, um dort im “Heckerzug” eine bewaffnete Revolution zu versuchen.

Republik, Bürgerbewaffnung und die Selbstermächtigung zur Volksvertretung waren Dissens, die meisten anderen Forderungen Struves gingen später in die Beschlüsse der Nationalversammlung ein. Es zeigte sich, dass nicht nur Kompromissbereitschaft, sondern auch Kompromisslosigkeit im Zweifelsfall nachteilig für die eigenen Interessen sein konnten. Denn in der dann gewählten Nationalversammlung waren die Demokraten noch weit schwächer vertreten als im Vorparlament.

Die Nationalversammlung

Wie schwer es die Nationalversammlung hatte, in den entscheidenden Fragen zu Ergebnissen zu kommen, ist bekannt. Die nationale Frage warf zunächst enorme Probleme auf: Das gesamte Gebiet des Deutschen Bundes sollte erfasst werden, aber die habsburgischen Lande umfassten auch die tschechischen Gebiete Böhmen und Mähren, die nicht daran teilnahmen. Die deutsch-österreichischen Abgeordneten standen vor dem Problem, das das Habsburger Reich mit einem deutschen Nationalstaat inkompatibel war. Obwohl die deutsche Einheit oberstes Ziel und meistens erste Forderung aller Revolutionäre war, stellte die Eigenständigkeit der bislang noch existierenden Einzelstaaten ein Problem für eine föderale Ordnung. In den Einzelstaaten wurden Reformregierungen gebildet und oft auch eigene neue Volksvertretungen gewählt, so wie eine eigene Nationalversammlung in Preußen.

Mit dann 585 Mitgliedern vertrat ein Abgeordneter in der Paulskirche ca. 50.000 Wähler. Zusammen mit etlichen Vertretern waren ca. 800 Personen in der Paulskriche präsent. Die vorgesehene allgemeine und gleiche Wahl in allen Ländern des Deutschen Bundes konnte so nicht garantiert werden, so dass das Wahlrecht von Land zu Land zum Teil unterschiedlich ausgeübt wurde. Die abgebildete Farblithogrraphie von Eduard Gustrav May, seit 1845 Drucker in Frankfurt, in Kooperation mit dem Zeichner Franz Bamberger (aus der Familie des 1855 geborenen späteren Bankiers gleichen Namens?) und dem Buchhändler und Verleger Siegmund Schmerber, ebenfalls Frankfurt, zeigt recht eindrucksvoll die Szene der darauf interessanterweise so genannten “Reichsversammlung”

Die Nationalversammlung war nicht das “Professorenparlament”, als das es apostrophiert wurde (50 Professoren), sondern ein “Beamtenparlament” 436 arbeiteten vorher im Staatsdienst, was die politische Ausrichtung von vornherein stak beeinflusste. Mit vielen dieser Staatsbeamten hatten die Fürsten auch einen Fuß in der Paulskirche. Nicht zuletzt war dies pragmatischen Gründen geschuldet, da die Beamten freigestellt wurden, während man sonst seine berufliche Tätigkeit aufgeben musste. 149 Abgeordnete zählten daher zur freiberuflichen Intelligenz (Advokaten, Journalisten usw.), die sich aber auch finanzieren mussten.

Zunächst bildeten sich drei bis vier politische Richtungen in der Nationalversammlung heraus, die sich dann zu Fraktionen formierten und zum Teil noch einmal untereinander spalteten, die meist nach ihrem Versammlungsort benannt wurden: Die “Linke”, das waren Demokraten für eine Republik, stellten 15% mit zwei Fraktionen Deutscher Hof, Donnersberg), das “linke Zentrum” 13% mit zwei Fraktionen (Württemberger Hof, Westendhall), das “rechte Zentrum” 34% mit drei Fraktionen Casino, Augsburger Hof, Landsberg), die konservative “Rechte” war mit dem Café Milani zu 6% vertreten - 32% ordneten sich keiner Fraktion zu. Damit hatte die zwischen linken und rechten Liberalen gespaltene Mitte ein entscheidendes Gewicht und in der Verfassungsdebatte ging es dabei um eine konstitutionelle Monarchie mit der Frage nach der Gewichtung der Rechte von Parlament und monarchischer Exekutive. Dass ein Nationalstaat ein Kaiserreich sein sollte, war hier unbestritten, und nachdem die “großdeutsche Lösung” mit Österreich ausschied, konnte dies nur der preußische König die Rolle des Kaisers übernehmen.

Dass in der Paulskirche endlos debattiert und ewig lange nichts beschlossen wurde, ist damals schon heftig kritisiert worden. So gab z.B. der Frankfurter Kunstdrucker und Verleger Eduard Gustav May (1818-1907) die beiliegende Karikatur heraus, die kunstvoll detailliert die Zerstrittenheit der Nationalversammlung aufs Korn nimmt. Die Konstituante der Französischen Revolution brauchte gewiss viel länger für die erste Verfassug von 1791, doch sie hatte sich die Macht im Staat gesichert, in Deutschland war dies nicht der Fall.

Die Auflösung der Nationalversammlung in Preußen und die vom König Friedrich Wilhelm IV. “oktroyierte Verfassung”, die den Zielen der Märzrevolution eklatant widersprach, fand in der Paulskirche keine Mehrheit auf Missbilligung, die Beauftragung des Ausschusses für das Verhältnis der Einzelstaaten mit der Zentralgewalt zum Entwurf  einer diesbezüglichen Resolution wurde abgelehnt (Verhandlungen Bd. 6, Sitzung vom 11.12.1848, Nr. 133, S. 3994f., vgl. inhaltliche Beantragung am 7.12., Nr. 131, Bd. 5, S. 3988). Damit hatte auch die liberale Mitte der Paulskirche nicht erkannt, welche Bedeutung die Ereignisse in Preußen auch für ihre eigene Zukunft haben würden.

In der Verfassungsfrage und im Wahlrecht für ein zukünftiges Parlament ging man wechselseitig Kompromisse ein: Der Verfassung war stärker monarchisch-konstitutionell geprägt, das Wahlrecht demokratisch (allgemein und gleich für Männer ab 25 Jahren). In der Wahlrechtsdebatte stießen die politischen Positionen aufeinander in der Frage eines Zensuswahlrechts, das an die erste französische Verfassung von 1791 erinnerte und grundlegende politische Differenzen in der Vorstellung von Volkssouveränität offenbarte..

Das Zweikammerparlament sollte dem Föderalismus Rechnung tragen und im “Staatenhaus” hätten die Regierungen der Einzelstaaten (also letztlich die Monarchen) die Hälfte der Mitglieder gestellt, die Länderparlamente die andere Hälfte gewählt. Bis auf einige Details ähnelte diese nicht zustande gekommene Verfassung der späteren Verfassung des Bismarckreiches.

Die oben erwähnte konterrevolutionäre Wende Mitte Dezember, also noch vor der Verabschiedung des Grundrechtskatalogs am 21.12.1848 und noch länger vor der Beratung de Verfassung im Frühjahr ‘49, als in Wien - und wichtiger noch - in Berlin die Volksvertretungen mit militärischer Gewalt aufgelöst wurden (in Wien verbunden mit einer bürgerkriegsähnlichen Konfrontation), machten die Debatten in der Paulskirche de facto obsolet.

“Bei der unendlichen Ausführlichkeit, mit welcher [...] die Grundrechte in der Nationalversammlung verhandelt worden sind”, wie Gustav Droysen festhielt (Verhandlungen des Verfassungsausschusses, S. 3), zeigte die Debatte um einen Katalog der Grundrechte auch noch einen deutlichen Dissens im Verständnis des Staatsbürgerrechts, wenn auch die Abstimmung darüber am Ende ziemlich klar ausfiel, nämlich in der Frage der Gleichberechtigung der Juden bei §14-16 (Glaubens- und Gewissensfreiheit, Religionsausübung). Gabriel Riesser, Hamburger Rechtsanwalt und Vorkämpfer für jüdische Gleichberechtigung seit den 1830er  Jahren, zeitweilig in (Frankfurt-) Bockenheim ansässig, dessen Vater Rabbiner im kurhessischen Katzenellenbogen gewesen und nach Hamburg gezogen war, wurde Mitglied des Vorparlaments und Abgeordneter des Herzogtums Lauenburg in der Nationalversammlung sowie dort Mitglied im Verfassungsausschuss und zeitweilig Vizepräsident der Nationalversammlung. Er vertrat vehement und eloquent die Gleichberechtigung der Juden gegen prominente Gegner in der Paulskirche, die man politisch nicht unbedingt dort vermutet hätte, wo sie standen, nämlich auch auf der linken Seite des Spektrums: Wortführer der Gegner einer vollständigen staatsbürgerlichen Gleichstellung der “Israeliten”, wie es hieß, war Moritz Mohl von der linken Mitte. (Debatte vom 28.8.1848, Verhandlungen, Bd. 3, S.1754ff.) ).

Abgeordneter In der Paulskirche war, nebenbei bemerkt, übrigens auch Wilhelm Marr, damals ebenfalls aus Hamburg wie Riesser, ein radikaler Linker, dessen antisemitische Agitation und Popularisierung des Begriffes Antisemitismus jedoch erst später erfolgte, beginnend mit der Polemik gegen Riesser in Hamburg in den 1860er Jahren. Nicht auf der Linken, aber ein damals berühmter Abgeordneter war der nationalistische Dichter Ernst Moritz Arndt, der sich schon zuvor antisemitisch geäußert hatte und heute im Mittelpunkt zahlreicher Namensstreits von Schulen und Straßen ist.

In der Debatte im Plenum am 29.8.1848 vertrat Mohl völkisch zu nennende Argumente in Verbindung mit den klassischen sozialen Vorurteilen (“wucherliche Aussagung der armen Bauern”, Verhandlungen, Bd. 3, S. 1754) Nach der Gegenrede von Riesser, Osterrath (Danzig) und von Linde (Mainz) (S. 1755-1759) erhielt der Antrag von Mohl auf eine besondere Gesetzgebung bzgl. der Juden nur wenige Befürworter und einen “lebhaften Beifall” für diese klare Entscheidung (S. 1766). (Mohl / Riesser vgl. auch www.gabrielriesser.de)

Diese Debatte fand auch im Rahmen grundsätzlicherer Fragen statt, so nach dem Verhältnis zwischen Staat und Religion (S. 1750ff.), wenngleich Mohl sich bemühte,  zum Thema “Israeliten” unabhängig davon zu  argumentieren (Problem “Volkstum”), denn auch er war für die Trennung von Kirche und Staat.

Die Diskussion über die Gleichheit der Rechte für alle betraf allerdings auch die noch viel grundsätzlichere Frage der Rechte der Frauen. Einig war man sich hier, dass die “allgemeine Gleichheit der Menschen [...] in der natürlichen Beschaffenheit der Dinge ihre notwendige Grenze findet”, nämlich , dass “Geschlecht und Alter auch heutzutage noch für noch für notwendige Gründe der Unterscheidung gelten” (Waitz für die Verfassungskommission zum Wahlrecht, Wigard Bd. 7, S. 5222). - “Die Unterschiede, meine Herren, welche Alter, Geschlecht und Mangel an Einsicht bringen, die verstehen wir in dieser Gleichberechtigung vor dem Gesetze nicht, sondern wir verstehen nur die Ungleichheit der Standesprivilegien.” (Gombart, Wigard Bd. 2, S. 1302). So wurden Frauen mit unmündigen Kindern gleichgesetzt. Frauen beteiligten sich schon im Frühjahr 1848 an der Revolution, v.a. in Baden, und es begann in ganz Deutschland die Organisierung der Frauenbewegung, die zur Gründung der Frauen-Zeitung durch Louise Otto-Peters führte, deren erste Ausgabe am 21.4.1849 erschien, also schon am Ende der Paulskirche. Frauen griffen jedoch schon vorher in die politische Debatte ein, so durch den Aufruf an Deutschland’s Frauen bezüglich des Eherechts im künftigen deutschen Gesetzbuche. Darin heißt es u.a.: “Ein freier Mann muss auch ein gerechter Mann seyn; unmögloich kann er mit der einen Hand den Freiheitskranz herunterholen wollen und mit der anderen Hand die Fessel halten, wodurch er die nicht minder andere Hälfte der der Menschheit niederhält.” Die entstehende Frauenbewegung war auch bereits Thema für Satiren durch Männer, so von dem Frankfurter Eduard Gustav Wolf  1849 in einer Karikatur des “Politischen Damen-Clubs” in seinen Losen Blättern Der Satyr.

Die Abstimmung über den Grundrechtskatalog wurde schließlich am 27.12.1848 mit großer Mehrheit beschlossen und später der Verfassung vorangestellt. Die Verfassung sah auch die Einklagbarkeit der Grundrechte vor einem Reichsgericht .vor.

Das Ende der Nationalversammlung

Der Anfang vom Ende der Paulskirche begann bereits im Dezember 1848, als die Konterrevolution in Berlin und Wien neue Tatsachen schuf. Schon zuvor war der Dresdner Paulskirchenabgeordnete Robert Blum mit anderen zu den Aufständischen nach Wien gereist, nachdem dort, ausgelöst von der Nationalitätenfrage, eine “zweite Revolution” ausgebrochen war. Blum wurde dort festgenommen und am 9.11. hingerichtet.

Die Nationalversammlung debattierte im Frühjahr weiter über die Verfassung, die am 28.3. zusammen mit der Wahl des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. zum Deutschen Kaiser verkündet wurde. Der Beschluss erfolgte mit 290 Stimmen pro und 248 Enthaltungen bei 20 Gegensdtimmen. Am 3.4. empfing der preußische König die “Kaiserdeputation” der Nationalversammlung, darunter Gabriel Riesser und Heinrich von Gagern. Der preußische König lehnt ab, er können dies nicht ohne die Fürsten entscheiden. Am 14.4. nehmen 28 Einzelstaaten und 14 Tage später auch Württemberg die Verfassung an, am 28.4. erklärt Friedrich Wilhelm jedoch seine endgültige Ablehnung. In einhzelnen Ländern (Sachen, Pfalz, Baden) kam es zu Aufständen, die niedergeschlagen wurden. Nach dem Austritt der österreichischen und preußischen Abgeordneten im Mai flüchtet das “Rumpfparlament” aus 150 Abgeordneten nach Stuttgart, wo es am 18. Juni vom Militär auseinandergetrieben wird. Aufständische und auch Mitglieder des Rumpfparlaments müssen um Leib und Leben fürchten, viele flüchten nach Frankreich, in die Schweiz, in die USA.

Frankfurter Septemberaufstand 1848 und politische Verhältnisse in Frankfurt

Ungefähr in der Mitte der Phase bis zum Jahresende 1848 fand der Frankfurter Septemberaufstand statt, der neben der Revolution in Baden durch Hecker und Struve die Nationalversammlung zum militärischen Einschreiten gegen die revolutionären Demokraten nötigte. Auslöser war interessanterweise ein nationaler Konflikt mit Dänemark um Schleswig-Holstein, das, seit 1860 “up ewig ungedeelt” in Personalunion unter dem dänischen König, mit dem südlichen Teil Holstein zum Deutschen Bund gehörte. Der dänische König Friedrich VII. sah nun eine Gelegenheit, dies zu ändern und Holstein aus dem Deutschen Bund herauszulösen. Die Nationalversammlung forderte Preußen auf, militärisch zu intervenieren mit dem gegenteiligen Ziel, nämlich Schleswig (mit seiner mehrheitlich dänischen Bevölkerung) für Deutschland zu erobern (wie es dann 1864 auch geschehen sollte). Doch der militärische Erfolg blieb Preußen versagt, zum einen ermangelte es ihm an einer Flotte ermangelte, auf die dänischen Inseln vorzustoßen, entscheidender war aber, dass sich Großbritannien und Frankreich auf die Seite Dänemarks stellten. Am 26.8.1949 wurde im Vertrag von Malmö ein Waffenstillstand geschlossen, der faktisch wie eine Niederlage aussah.

Die Tatsache, dass Preußen dies ohne die Nationalversammlung und im Namen des Deutschen Bundes unterschrieb, wurde von einer Koalition aus Linken und Rechtsliberalen in der Paulskirche als Verrat betrachtet. Die faktische Machtlosigkeit der Nationalversammlung mit einer Reichsregierung, die ein Phantom war unter dem Reichsverweser Erzherzog Johann von Österreich, trat zutage. Die Nationalversammlung lehnte daher am 5.9. den Vertrag mehrheitlich ab, revidierte aber am 16.9. wieder ihre Entscheidung. Abgesehen davon, dass dies in der Sache selbst irrelevant war, ging sie damit einer Auseinandersetzung mit Preußen aus dem Weg. So hatte dies auch eine innenpolitische Bedeutung und wurde als Unterwerfung unter Preußen verstanden. “In dieser Entscheidung sehen Karikaturisten  schon die Beerdigung des ‘Siebenmonatskindes’ der deutschen Einheit.” (Gall, S. 130).

Die “nationale” Frage mischte sich mit mit einer politischen: Proteste von links gegen die Nationalversammlung hatten bereits in der ersten Septemberhälfte in verschiedenen Teilen Deutschlands stattgefunden und dabei auch weitergehende Forderungen nach einer “sozialen Republik” aufgestellt, entscheidend wurde jedoch der Aufstand in Frankfurt. Der begann auf Initiative des 1844/45 gegründeten revolutionären Clubs mit dem euphemistischen (Tarn-)Namen “Montagskränzchen” um den Rechtsanwalt >Maximilian Reinganum, der 1848 im Nürnberger Hof zusammenkam, und führte zu einer Großkundgebung auf der Frankfurter Pfingstweide  (das heutige Zoogelände) am 17.9., zu der “mindestens 15 000 Menschen” kamen (Schambach, S. 285) . Reinganum war Mitglied des Vorparlaments, wurde bei der Wahl zur Nationalversammlung jedoch durch den gemäßigteren >Friedrich Siegmund Jucho geschlagen. Die  Versammelten auf der Pfingstweide waren jedoch in sich gespalten, die Radikaleren unter ihnen forderten den Austritt der Linken aus der Paulskirche und präferierten ganz offensichtlich den “badischen Weg”, So beschloss man, Druck auf die Nationalversammlung auszuüben und begann in Frankfurt mit dem Bau von Barrikaden, die eine militärische Intervention abwehren sollten.

Sozial rekrutierten sich die Aufständischen v.a. aus Arbeitern in einem allgemeineren Sinne, d.h. Handwerkern, Gesellen, Tagelöhnern. Sie waren gewiss auch beflügelt von dem seit dem 20. Juli in Frankfurt tagenden “Gesellen- und Arbeiterkongress”, der sich dann in “Allgemeiner Deutscher Arbeiterkongress” umbenannte und mit dem Septemberaufstand wohl nicht zufällig auch sein Ende fand (20.9.1848). Der Kongress war Teil einer sich damals herausbildenden ersten Arbeiterbewegung und forderte neben Verbesserungen der Arbeitsbedingungen (12-Stunden-Tag inkl. Pausen!) auch eine Demokratisierung der Wirtschafts- und Arbeitsverhältnisse durch ein Mitbestimmungskonzept für Gewerbekammern und Innungen und fvon der Nationalversammlung eine entsprechende allgemeine Gewerbeordnung (Will, S. 554ff.).

In der Nacht zum 18.9. wurden vom Reichsverweser “’Reichstruppen’ aus der Mainzer Bundesfestung angefordert” (Schambach ebd.), d.h. preußische und österreichische. Aus der offiziellen Darstellung der Vorgänge am 18.9.:

    “Unter dem Schutze zweier aus Mainz herbeigezogener Bataillone hielt die Nationalversammlung am 18. September 1848 vormittags sitzung, umringt von drohenden Haufen, deren Versuch, gewaltsam in den Sitzungssaal einzudringe, durch Reichstruppen vereitelt wurde. Von 2 Uhr bis gegen 9 Uhr abends dauerte der Straßenkampf gegen die zahlreich errichteten Barriakden und die von den  Bewaffneten besetzten Häuser, aus denen fortwährend auf die Truppen geschossen wurde.” (Offizielle Darstellung des Frankfurter Volksaufstands, 22.9.1848, Erlaß der Zentralregierung, in: Obermann 1950, S. 570, aufgenommen in  Grab 1998, S.123).

Auf einem Erkundungsritt am 18.9. wurden zwei preußische Abgeordnete der rechtsliberalen Casino-Fraktion, der General Hans von Auerswald und der Offizier Fürst Felix von Lichnowsky, vor dem Friedberger Tor (Lokalisierung heute im Anlagenring, Beginn der Friedberger Landstraße) von Aufständischen gefasst und durch Schüsse ermordet. Der Tathergang ist im Einzelnen nicht exakt rekonstruierbar, zunächst gerieten die beiden in eine gegen sie aufgebrachte Menschenmenge und flüchteten in ein nächstgelegenes Haus. Dort wurden sie von einigen Aufständischen herausgeholt und dann fielen im Garten Schüsse auf sie.

In den Fokus der Ermittlungen geriet jedoch schnell eine am Protest beteiligte Frankfurterin, Henriette Zobel, die mir ihrem Regenschirm auf Lichnowsky einschlug (was sie später vor Gericht nicht bestritt). Sie wurde schnell schon in der Presse zur Mörderin erklärt und vor Gericht zusätzlich wegen Verschwörung angeklagt. In dieser Kampagne gegen die “Megäre” traten ganz offensichtlich frauenfeindliche Aspekte zutage, sie solle nicht nur Lichnowsky ermordet, sondern auch zur Ermordung von Auerswald aufgerufen haben (so Zeugenaussagen) und vielleicht sogar die Rädelsführerin hinter allem sein. Die Mordanklage im Fall Lichnowsky konnte forensisch nicht aufrechterhalten werden, so wurde Henriette Zobel wegen “Teilnahme an einem Complott zur Tödtung des Generals von Auerswald”, was auf der o.g. Zeugenaussage beruhte,  zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt. Dass der Prozess nicht nach damals erst in Entstehung begriffenen rechtsstaatlichen Prinzipien erfolgte, trotz des dann eingeführten Schwurgerichts, zeigt sich schon darin, dass Henriette Zobels Wunschverteidiger Maximilian Reingaum nicht zugelassen wurde.

Mit dem Mord an den beiden Abgeordneten war keine friedliche Lösung mehr möglich - wenn es denn sonst überhaupt eine gegeben hätte - und die militärische Niederschlagung des von Arbeitern und Handwerkern getragenen Aufstands der am 18.9. endete mit 30 Toten auf Seiten der Aufständischen und  12 Soldaten. Die Konsequenz war die weitere Einschränkung des politischen  Spielraums der Nationalversammlung und auf der Gegenseite die Vorbereitung der Konterrevolution, die im Dezember in Österreich und Preußen erfolgte.

Die Aufständischen waren innerhalb Frankfurts isoliert und der Septemberaufstand war kein “Volksaufstand”, wie ihn die DDR-Geschichtsschreibung gerne sah (siehe Obermann und hier auch Grab, s.o.), indem sie eine linke Avantgarde zum Volk erklärt. Diese Avantgarde war jedoch selbst gespalten: Reinganum hatte sich schon früh von der Radikalisierung abgesetzt und der Trierer Abgeordnete Ludwig Simon, der weiter ging als Reinganum, warnte dann auch schon auf der Pfingstweide vor einer weitere Eskalation der Gewalt, wie sie schon am Abend des 16.9. bei Tätlichkeiten gegen einen Abgeordnete begonnen hatte:

    ”Was aber hat das Volk zu tun? Es hat den Beschluß der Linken abzuwarten und sich vor Unordnungen, wie sie gestern vorgefallen,  zu hüten. [...] Solche Exzesse können zu nichts führen. Ich warne vor Unüberlegtheit, vor Unvorsichtigkeit und Voreiligkeit [...].” (Ludwig Simons Rede bei der Volksversammlung auf der Frankfurter Pfingstweide [...], in: Obermann, S. 555, Grab, S. 121), 

Für Obermann, dem Grab hier kritiklos folgte in Übernahme seines Kommentars dazu, “versagte die Linke und vermochte den Volkskampf gegen die Konterrevolution nicht wirklich zu organisieren,” /ebd.).

Wer und wo war aber das Volk? Zum Zeitpunkt des Septemberaufstandes hatte sich in der Stadt Frankfurt selbst noch keine “Märzrevolution” ereignet, die Wahl einer Constituierenden Versammlung für die Freie Stadt fand bezeichnenderweise erst am 26.10.1848 statt und obwohl dabei erstaunlicherweise noch die Linken des “Montagskränzchens” am stärksten abschnitten, verhinderten Konservative und der unverändert gebliebene Senat der Stadt den Verfassungsentwurf, der mehrheitlich in der Constituierenden verabschiedet wurde, so dass die alte Verfassung von 1816 bis 1866 in Kraft blieb - mit Zensuswahlrecht für christliche Bürger. Die Blockadehaltung des alten Establishments war nicht überraschend, wohl aber dass die Mehrheit der Frankfurter Wähler, die politisch ganz auf der anderen Seite standen, sich dies gefallen ließ ohne zu protestieren.

Insofern ist der Frankfurter Septemberaufstand mit all seinen Aspekten nicht nur eine Episode, sondern Lehrstück für den Verlauf der ganzen 1848er Revolution.

Erinnerungskulturelle Bedeutung

Die nationale Einheit war die erste der Forderungen der revolutionären Vereine 1848, aber nicht deswegen den danach folgenden nach Freiheitsrechten und Volksrepräsentation in einem Verfassungsstaat übergeordnet. Vielmehr war, wie auf de >Heppenheimer Tagung 1847 erklärt, der Nationalstaat Voraussetzung für die Verwirklichung der anderen Forderungen.

Dagegen wurde in der weiteren Entwicklung durch die Nationalstaats- gründung von oben 1871 die Einheit der Freiheit insofern übergeordnet, als der Grundrechtekatalog der Paulskirche nicht in die Reichsverfassung übernommen wurde. Entsprechend hat sich dies erinnerungskulturell im Kaiserreich niedergeschlagen. Zwar galt auf dem “Einheitsdenkmal”, das die Stadt Frankfurt vor der Paulskriche 1903 errichtete, eine der Widmungen auch “dem freien Bürgertum”, doch würdigte as Denkmal eben hauptsächlich die nationale Einheit als Ziel der Paulskirche .

70 Jahre und 100 Jahre später, mit zwei einschneidenden Etappen der deutschen Demokratiegeschichte zusammentreffend, wurde entsprechend umgekehrt die Grundrechteerklärung der Paulskirche gewürdigt. Diese auch einklagbar zu machen und von einem speziellen Gericht überwachen zu lassen, hat man in der Weimarer Verfassung nicht berücksichtigt, zu selbstverständlich erschienen die Grundrechte nun wohl, während die Väter und Mütter des Grundgesetzes der Bundesrepublik das Vorbild von 1848 aufgriffen angesichts der bitteren Erfahrung, die man aus dem Fehler der Weimarer Republik gemacht hatte.

Der erinnerungskulturelle Stellenwert der Paulskirche in der Bundesrepublik war dennoch über weite Strecken kontrovers. Erst wurde sie als Bezugspunkt für die deutsche Demokratie gesehen. Doch sie sei gar nicht Gründungsmythos gewesen, widerspricht Andreas Briefang, vielleicht mag dies für die museale Inszenierung gelten, getreu der wörtlich verstandenen “Erinnerung am Ort”, jedoch nicht für die erinnerungskulturelle Bedeutung generell. “Dabei hätte schon die aus der Revolution hervorgegangene Reichsverfassung von 1849 durchaus das Potenzial gehabt, zum Bestandteil eines demokratischen Gründungsmythos zu werden“, schreibt er weiter (S. 180). Doch die Reichsverfassung der Paulskirche kann gewiss nicht als Vorbild für Demokratie gelten, sondern nur die Erklärung der Grundrechte. Anlässlich des 150jährigen Jubiläums wurde die Nationalversammlung 1998 vom Institut für Stadtgeschichte für seine Ausstellung in der Paulskirche  als “Symbol demokratischer Freiheit und nationaler Einheit” geehrt. Diese subtile Formulierung deutet wohl darauf hin, dass die Nationalversammlung ja scheiterte, also nur Symbol sein konnte. Genau genommen gilt aber auch dies nicht für das ganze Resultat der Paulskirche, sondern nur für den Grundrechtekatalog.

Gewiss war dem 18. März kein Feiertag gewidmet, wie es interessanterweise jüngst im Bundestag zur Diskussion gestellt wurde, seit die Erinnerung an die Demokratiegeschichte angesichts neuer Infragestellungen gezielt gefördert wird. So erklärt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages am 27.11.2019 “zur Diskussion um einen neuen Gedenktag am 18. März”: “Bereits seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wird auf die Bedeutung des 18. März 1848 verwiesen. Frühere Bundespräsidenten wie Theodor Heuss und Gustav Heinemann würdigten das Jahr 1848 als besonders bedeutsam für die deutsche Demokratie. Seit 1978 engagiert sich die Bürgerinitiative ’Aktion 18. März’ dafür, in Erinnerung an die Märzrevolution in Berlin 1848 diesen Tag zum nationalen Gedenktag zu erklären.” Diese Diskussion ist allerdings stark berlinzentriert, der Aufstand in Berlin am 18. März steht als revolutionäres Ereignis im Mittelpunkt, nicht der ganze revolutionäre Prozess, die Paulskirche, und das Ergebnis.

Seit den 1970er Jahren wurde in der Bundesrepublik von linker - oder etwas allgemeiner: kritischer - Seite aus das Scheitern von 1848 als erstes manifestes Beispiel für die Unfähigkeit der Deutschen zur Revolution verstanden, “die ungewollte Revolution” (Wolfgang Mommsen), gefolgt von der “unvollendeten Revolution” 1918/19 mit der “von Anfang an gescheiterten” Weimarer Republik, weithin verbreitete Schlagworte..Wirkungen davon sind noch in Schulbüchern zu sehen, die der Entwicklung der Diskussion unter Historikern oft lange hinterherhinken (vgl. zur Weimarer Republik auf >1918/19 In Hessen). In den letzten Jahren ist die Erinnerung an die Etappen der Geschichte zur Demokratie in Deutschland stärker ins Blickfeld gerückt, mit einem großen Impuls durch die Hundertjahrfeier der Gründung der Weimarer Republik, aber nicht nur dadurch. Die Diskussion um die Sanierung oder historische Restaurierung der Paulskirche, die im Inneren im Zweiten Weltkrieg ausgebombt und nur funktional wieder aufgebaut wurde, und die Idee der Einrichtung eines “Zentrums” oder “Hauses der Demokratie” zeugen davon.

Damit dürfte wieder eine Idealisierung der Paulskirche einhergehen. US-Präsident Kennedy nannte bei seinem Besuch 1963 die Paulskirche die “Wiege der deutschen Demokratie” - 1848 hatte die amerikanische Demokratie schon 70 Jahre hinter sich und Kennedy war vielleicht nicht so ganz klar, dass das Kind aus dieser Wiege den frühen Kindstod starb (siehe die zeitgenössischen Kommentare oben). Man durfte Kennedys Hommage als eine Geste gegenüber den Deutschen und ihrer jüngsten Vergangenheit verstehen. “Wiege der deutschen Demokratie” - “Damit hat er völlig Recht”, meint die offizielle Seite der Stadtführungen in Frankfurt, denn “in diesem Gebäude tagte 1848-49 das erste gewählte Parlament Deutschlands und schrieb eine demokratische Verfassung.”

Damit befindet sich die Stadtführung in guter Gesellschaft, denn die Nuance vom “Symbol der Demokratie” 1998 wurde auch von Evelyn Brockhoff 2020 modifiziert zur Bekräftigung von Kennedys “Wiege der Demokratie” (cf. Brockhoff 2020, S. 10), und nicht nur symbolisch, sondern real war der “Ort des Paulskirchenparlaments” der “Rahmen der ersten deutschen demokratischen Verfassung” in derselben Publikation des Instituts für Stadtgeschichte auch für Alexander Jehn (S. 20). Gewiss wird das Scheitern der Paulskirche aus inneren und äußeren Unzulänglichkeiten betont - doch was scheiterte denn: eine demokratische Verfassung?


Erwähnte Quellen zur Nationalversammlung:

Zur Vorgeschichte und Konstituierung des Vorparlaments cf. der Joseph Meyer: Deutsche Parlaments-Chronik. Ein politisches Schulbuch für’s deutsche Volk. Hildburghausen (Bibliograpischs Institut), 29.6.1848. Digitalisat >Universitätsbibliothek Frankfurt a.M.

Stenograpischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen consstituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main. Herausgegeben von Franz Wigard, 9 Bände, Frankfurt am Main (J. D. Sauerländer) 1849. Bayerische Staatsbibliothek >OPACplus

Die Verhandlungen des Verfassungs-Ausschusses der deutschen Nationalversammlung, herausgegeben von Joh. Gust. Droysen, Erster Teil. Leipzig (Weissmann’sche Buchhandlung)1849 >Universitätsbibliothek Frankfurt

Heinrich Scholler (Hrsg.): Die Grundrechtsdkiskussion in der Paulskirche. Eine Dokumentation. Darmstadt (WBG) 1973.


Aktuelle Veranstaltungen und Berichte zum
Jubiläum 175. Jahre 1848er Revolution

Auftakt der Jubiläumsfeiern am 28.2.2023 in der Paulskirche rund um die Edition Paulskirche des Verlages Kiepenheuer & Witsch, Lesung und Diskussion - ein Auftakt mit Misstönen, siehe unsere Kritik auf >>Aktuell
Video-Aufzeichnung der Veranstaltung vom 28.2. >>Hessenschau

Überblicke über die zentralen Veranstaltungen: >>Netzwerk Paulskirche / >>Frankfurt Tourismus

F.A.Z.: >Ein Demokratie-Fest für Kopf und Herz, Matthias Trautsch 11.2.23
             >Gegen die Leere, Florian Balke 2.3.23

Jüdisches Museum: Paulskirche und demokratisches Selbstverständnis. Pop-up-Archiv zu 75 Jahren bundesdeutschem Diskurs auf dem Bertha-Pappenheim-Platz 17.5.-21.5.23

Haus am Dom: Veranstaltungsprogramm zum 175. Jahrestag

Evangelisches Frankfurt und Offenbach: Protestantismus und Paulskirche

Berlin: 175  Jahre Märzrevolution: die wichtigsten Veranstaltungen in Berlin

>>175 Jahre Revolution 1848/49

 

Paulskirche

Die Paulskirche mit dem ”Einheitsdenkmal”, 1903 von der Stadt Frankfurt errichtet. - Foto: W. Geiger, 10.9.2014.

Ventadour_Vorparlament7252033

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Jean Nicolas Ventadour: Einzug der Mitglieder des Vorparlaments in die Paulskirche, gedruckt von Eduard Gustav May, Schmerbersche Buchhandlung, Frankfurt am Main, 1848. - Digitalisierung >Universitätsbibliothek J.C. Senckenberg (2015), urn:nbn:de:hebis:30:2-241284

Antrag Struve >Wikipedia

Ulrike Ruttmann: 5. Die Nationalversammlung in der Paulskirche, in: Lothar Gall (Hrsg.): 1848 - Aufbruch zur Freiheit. Ausstellungskatalog des Deutschen Historischen Museums und der Schirn Kunsthalle Frankfurt zum 150jährigen Jubiläum der Revolution von 1848/49. Berlin (Nicolai) 1998.

Zur Vorgeschichte und Konstituierung des Vorparlaments cf. der Joseph Meyer: Deutsche Parlaments-Chronik. Ein politisches Schulbuch für’s deutsche Volk. Hildburghausen (Bibliograpischs Institut), 29.6.1848. Digitalisat >Universitätsbibliothek Frankfurt a.M.
Obwohl >Carl Joepeh Meyer, Herausgeber des gleichnamigen Lexikons, eher zu den radikaleren Hambachern gehörte, äußert er sich in der Einleitung zum Buch äußerst kritisch zum Radikalismus, der den Emotionen im Volk nachgibt. Die Wiedergabe der Plenarverhandlungen hat protokollarischen Charakter.

Wikipedia: >Heinrich von Gagern, >Georg Christoph Binding

Sitzungssaal-Wien Museum Online Sammlung 87459 1-2

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“Sitzungssaal der deutschen Reichsversammlung”, Eduard  Gustav May (Lithograph) Franz Bamberger (Künstler), Siegmund Schmerber (Buchhändler/Verleger). Frankfurt, 1848. >Wien Museum Online-Sammlung

Virtuelle Rekonstruktion des Inneren der Paulsiriche

cf. Wahlrecht im Vormärz und in der Märzrevolution >Wikipedia

cf. Die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche - Fragen und Antworten >Deutsches Historisches Museum, mit Auflistung der politischen Fraktionen und ihrer Mitglieder. / Die Paulskirche >Institut für Stadtgeschichte Frankfurt / Chronolige 1848/49 >LeMO

Anteile der Fraktionen in der Frankfurter Nationalversammlung im Jahr 1848 >statista

Frankfurt_Am_Main-Freie_Stadt_Frankfurt-Plan-1845-klein

Plan von Frankfurt am Main 1845 >Wikipedia. Auf der Vergrößerung  - auf das Bild klicken und vergrößern! - sind die Paulskirche und die verschiedenen Tagungsstätten der Fraktionen lokalisiert.
1 Paulskirche (Barfüßerkirche)
2 Café Milani (konservativ)
3 Casinogesellschaft (rechtes Zentrum) Roßmarkt 10
4 Württemberger Hof (linke Liberale) Fahrgasse 27
4a Augsburger Hof (rechte Abspaltung vom Württemberger Hof)
5 Deutscher Hof (Demokraten)??? (konnte nicht lokalisiert werden)
5a Westendhall (gemäßige Linke, Aspaltung vom Deutschen Hof) Taunusnalage
zw. Taunusbahnhof und Main-Weser-Bahnhof
6 Donnersberg (äußeste Linke, Abspaltung vom Deutschen Hof) Am Holzpförtchen 1
7 Nürnberger Hof („Montagskränzchen“) heute Braubachstr. 33
8 Friedberger Tor (cf. Septemberaufstand)

Karikatur_Einheit_Paulskirche

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“Deutsche Einheit”, Karikatur auf die Paulskirche von >Eduard Gustav May, Lithographie, 1848, >Wien Museum Online-Sammlung

Stenograpischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen consstituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main. Herausgegeben von Franz Wigard, 5. Band, Nr. 113-132, S. 3167-3990 / 6. Band, Nr. 133-155, S. 3991-4778, Frankfurt am Main (J. D. Sauerländer) 1849. Bayerische Staatsbibliothek >OPACplus

Die Verhandlungen des Verfassungs-Ausschusses der deutschen Nationalversammlung, herausgegeben von Joh. Gust. Droysen, Erster Teil. Leipzig (Weissmann’sche Buchhandlung)1849 >Universitätsbibliothek Frankfurt

Schroedter_Grundrechte_1848

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Adolf Schroedter (1805-1875): Die Grundrechte des deutschen Volkes, Lithographie, Frankfurt a.M. 1848 >Wikipedia, Zum Künstler >Wikipedia
Die künstlerische Gestaltung nahm das Vorbild der Menschenrechtserklärung von 1789 auf, die wiederum auf die Datellung der biblischen Zehn Gebote zurückgriff. Weiterte Elemente traditioneller Symbolik von Gerechtigkeit wurden integriert. (Die Farbwiedergabe ist nicht originalgetreu).

Gesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volks >documentarchiv, vgl. auch >Wikipedia

Gabriel Riesser >Wikipedia, >Uni-Bibliothek Frankfurt, >Hesssiche Biographie, >Jewish Encyclopedia
Didaktische Materialien zu Riesser und Paulkskirchendebatte >Gabriel Riesser 1806-1863
Wikipedia: >Moritz Mohl, >Wilhelm Marr (vgl. auch >Deutsche Biographie), >Ernst Moritz Arndt (vgl. auch >Ernst-Moritz-Arndt-AG)

Zur Grundrechtefrage generell cf. Heinrich Scholler (Hrsg.): Die Grundrechtsdkiskussion in der Paulskirche. Eine Dokumentation. Darmstadt (WBG) 1973.

 

 

 

 

Wikipedia: >Louise Otto-Peters; >Frauen-Zeitung
Siehe auch: “Frankfurts starke Frauen” >Frankfurter Frauenzimmer und allgemein >Archiv der deutschen Frauenbewegung

Didaskalia_20.5.1848_Frauen-Ausschnitt

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Aufruf an Deutschland’s Frauen bezüglich des Eherechts im künftigen deutschen Gesetzbuche (Ausschnitt). in: Didaskalia- Blätter für Geist, Gemüth und Publicität, Nr. 140, 20..5.1848,  >digiPress Bayr. Staatsbibliothek. Dort ganzer Text (>Teil 1 / >Teil 2, Nr. 141 vom 21.5.) mit Vergrößerungsmöglichkeit.
Dies war die Kulturbeilage, herausgeg. von J. A. Hammeran, des Frankfurter Journals (1848/49 leider noch nicht digitalisiert), seit 1831 von den Frankfurter Druckern Heller & Rohm verlegt.

Damenclub

“Politischer Damenclub”, Wilhelm Völker, in: Der Satyr - Lose Blätter aus dem deutschen Reiche, herausgeg. von Eduard Gustav May, Frankfurt (Schmerber und May), Nr. 4, n. d. (Frühjahr 1849). >Heidelberger Historische Bibliothek (DOI https://doi.org/10.11588/diglit.16232#0037). Es erschienen nur 12 Ausgaben des wöchentlichen Satireblattes aus der Spätphase der Paulskirche und musste dann vermutlich aufgrund der reaktionären Zensur eingestellt werden..

“Note der Achtundzwanzig” >Wikipedia

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wikipedia:  >Septemberrevolution 1848 ; >Maximilian Reinganum

Lothar Gall (Hrsg.): Fragen an die deutsche Geschichte. Idee, Kräfte, Entscheidungen. Von 1800 bis zur Gegenwart. Katalog zur Ausstellung im Reichstagsgebäude in Berlin. Bonn (Deutscher Bundestag), 9. Aufl.,1983.

Karin Schambach: Die zweite Welle der Revolution, in: 1848 - Aufbruch zur Freiheit, S. 283-313.

Agnete von Specht: Dei freie Stadt, in: Lothar Gall (Hrsg.): FFM 1200. Traditionen und Perspektiven einer Stadt. Sigmaringen (Thorbecke) 1994, hier v.a. S. 226f.

Frankfurt_am_Main_Barrikade_1848-klein

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Erstürmung der Barrikade an der Konstablerwache in Frankfurt am Main am 18. September 1848 durch  preußisches Militär, Lithographie von E. G. May nach einer Zeichnung von Jean Nicolas Ventadour. >Wikimedia Commins

Karl Obermann (Hrsg.): Einheit und Freiheit. Die deutsche Geschichte von 1815 bis 1848 in zeitgenössischen Dokumenten. Berlin (Dietz) 1950. - Walter Grab (Hrsg.)): Die Revolution von 1848/49. Eine Dokumentation. Stuttgart (Reclam) 1998.

Martin Will: Selbstverwaltung der Wirtschaft. Tübingen (Mohr Siebeck) 2010. - Zur den Ereignissen in Bezug auf die frühe Arbeiterbewegung 1848 cf. die >Chronologie 1848 der Friedirch-Ebert-Stiftung.

 

 

 

 

 

 

 

Henriette Zobel >Frankfurter Personenlexikon

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Einheitsdenkmal3

Aspekte des Einheitsdenkmals vor der Paulskrtiche, errichtet von der Stadt Frankfurt 1903. - Fotos W. Geiger

Einheitsdenkmal1

Das Motto unter der Skulptur zitiert die letzten beiden Verse des Gedichts von Ernst Moritz Arndt, >Aus Frankfurt weg!
              Wir sind geschlagen, nicht besiegt.
              In solcher Schlacht erliegt man nicht.

Evelyn Hils-Brockhoff / Sabine Hock: Die Paulskirche - Symbol demokratischer Freiheit und nationaler Einheit. Begleitbroschüre zur Dauerausstellung des Instituts für Stadtgeschichte Frankfurt in der Wandelhalle der Paulskirche, erschienen anläßlich der 150-Jahr-Feier der ersten Deutschen Nationalversammlung im Mai 1998. Herausgegeben vom Institut für Stadtgeschichte undf der Frankfurter Sparkasse. Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main 1998, 2. aufl. 2004.>Download.

Vgl. auch Evelyn Brockhoff: Vorwort, in: Evelyn Brockhoff / Alexander Jehn (Hrsg.): Die Frankfurter Paulskirche Ort der deutschen Demokratie. Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt 2020, S. 10, Alexander Jehn: Einführung,  a.a.O., S. 20.

Andreas Briefang: Gründungsmythen der parlamentarischen Demokratie? Erinnern an die Verfassungen von 1848/49 und 1948/49 am historischen Ort, in: Thomas Hertfelder / Ulrich Lappenküper /Jürgen Lillteicher (Hrsg.): Erinnern an Demokratie in Deutschland. Demokratiegeschichte in Museen und Erinnerungsstätten der Bundesrepublik. Göttingen (V & R) 2016.

Zur Diskussion um einen neuen Gedenktag am 18. März, >Deutscher Bundestag / >Aktion 18. März

Wolfgang Mommsen: 1848 - Die ungewollte Revolution. Die revolutionären Bewegungen in Europa 1830-1849. Frankfurt/M. (S. Fischer) 1998.

Zur Baugeschichte der Paulskirche >Wikipedia

 

 

 

 

 

 

Die Paulskirche - Wiege der deutschen Demokratie >Stadtführungen Frankfurt

Zur Debatte über die Zukunft der Paulskirche, Zusammenfassung einer Diskussion am 14.12.2019:: Das Bauwerk Paulskirche in Frankfurt am Main - >Landesamt für Denkmalpflege in Hessen

>Konzeptstudie Demokratiezentrum Paulskirche

Vgl. auch Christoph Cornelißen: Die Paulskirche seit 1948: Ein Ort öffentlicher Debatten und gesellschaftlicher Konflikte, Vortrag in der Reihe “Wie sich Frankfurt erinnert. Vom Umgang mit Geschichte”, am 19.1.2022, Institut für Stadtgeschichte / Gesellschaft für Frankfurter Geschichte >online

 

 

 

 

 

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