3. Dr. Frauke Geyken: Widerstand von Frauen im Nationalsozialismus
Für ihren Vortrag hat Frau Geyken sieben Frauen aus dem Kontext des Widerstands ausgewählt, die ganz unterschiedliche Biographien haben, aber fast alle zu Unrecht im Schatten ihrer Männer standen bzw. stehen. Sophie Scholl bildet die Ausnahme.
Frau Geyken wies auf den Film von Irmgard von zur Mühlen Die Frauen des 20. Juli (1985) hin, der zuerst in der DDR gezeigt wurde und dann in der Bundesrepublik die Goldene Kamera erhielt (1986), außerdem auf das Buch von Dorothee von Meding: Mit dem Mut des Herzens: Die Frauen des 20. Juli (1992).
Der Widerstand hatte es in der Bundesrepublik generell schwer, die gebührende historische Anerkennung zu bekommen, in Allensbach-Umfragen wurden die Widerständler noch in den 1970er Jahren mehrheitlich als Verräter charakterisiert. In den 1980er Jahren entstand dann ein vermehrtes Interesse um den 20. Juli, das aus “bundesdeutschen Befindlichkeiten” herleitbar sei, seit 2014 aber wieder etwas zurückgeht.
Alle in den Blick genommenen Frauen hatten einen bürgerlichen Hintergrund, aber unterschiedliche politische Orientierungen.
Der Titel des Buches von Frau Geyken Wir standen nicht abseits bringt die Lage dieser Frauen zum Ausdruck, die im Kontext des direkten Widerstandes mit Attentatsversuchen auf Hitler (ca. 40 waren geplant) zwangsläufig nicht in der vordersten Reihe stehen konnten aufgrund ihrer gesellschaftlichen Rolle und Marginalisierung als Frauen, aber aktiven Beitrag zur Unterstützung der Widerstandstätigkeit ihrer Männer geleistet haben und oft auch an Entscheidungen beteiligt waren oder auch im Rettungswiderstand (Verstecken von Verfolgten) aktiv waren. Sie wurden auch ausgewählt, weil gerade diese bürgerlichen Frauen nur als Ehefrauen wahrgenommen wurden und werden, oft genug wird nicht einmal ihr Name genannt, sondern nur ihr Status (Ehefrau von...).
Frau Geyken verwies dann auf folgende Frauen aus dem Widerstand:
Annedore Leber; Rosemarie Reichwein; Antje Hasenclever; Sophie Scholl; Cato Bontjes van Beek; Inge Aicher-Scholl; Marie-Louise von Scheliha; Freya von Moltke; Clarita von Trott zu Solz; Marion Yorck von Wartenburg.
Annedore Leber war die Frau des 1933 verhafteten, 1937 wieder entlassenen Julius Leber, SPD-Reichstagsabgeordneter, als Beteiligter des 20. Juli am 5.1.1945 in Plötzensee hingerichtet. 1946 gab sie die Broschüre Den toten Freunden zum Gedenken heraus und gründete die Zeitschrift Mosaik, die sich auch als Frauenzeitschrift verstand.
Sophie Scholl (Biographie von Barbara Beuys, 2010 )wurde dagegen zur Ikone des Widerstands schon in den 50er Jahren als Typ des reinen, unschuldigen und „unpolitischen“ Mädchens und dann in die Walhalla bei Regensburg (zum 60. Todestag 2003) aufgenommen (nicht Hans Scholl), alle anderen der Weißen Rose sind im Kollektiv abgehandelt fast anonym geblieben. Frau Geyken erwähnte daraus Traute Lafrenz, die eine wichtige Rolle in der Weißen Rose gespielt hat.
Cato Bontjes van Beek war eine Studienfreundin von Helmut Schmidt und kam in Berlin Kontakt mit der „Roten Kapelle“, die politisch ein bunter Haufen war (ca. 150 Leute) und keineswegs nur aus Kommunisten bestand, aber in der DDR wurden sie als Helden gefeiert und entsprechend in der Bundesrepublik nicht. Sie verteilten Flugblätter und malten Parolen an Häuserwände.
Antje Hasenclever stammte aus einer Bielefelder Kaufmansfamilie und gehörte der Widerstandsgruppe „Neu beginnen“ an, die Infos über den NS für das Ausland zusammenstellte und sich schon 1932 auf die Illegalität vorbereitet hatte. 1938 wurde die Gruppe zerschlagen. Robert Havemann, ihr Mann, gehörte auch „Neu beginnen“ an und gründete mit Georg Grosscurth 1943 die Untergrundgruppe „Europäische Union“, der 2005 die Yad-Vashem-Medaille zuerkannt wurde. Antje Hasenclever hatte sich weiter im Rettungswiderstand betätigt und entging nur knapp der Verhaftung, als Havemann Ende 1943 festgenommen wurde.
Marie Louise von Scheliha war keine Widerstandskämpferin; ihr gilt das Interesse, weil sie in der Bundesrepublik um eine Entschädigung und damit Anerkennung ihres Mannes Rudolf von Scheliha als Widerständler kämpfte, der als Diplomat im Auswärtigen Amt Nachrichten über die NS-Verbrechen ins Ausland brachte, Verfolgte mit Pässen versorgte und nach einem „ordentlichen Prozess“ 1942 in Plötzensee hingerichtet worden war.
Inge Aicher-Scholl war die Schwester von Hans und Sophie Scholl und engagierte sich nach dem Krieg für deren Anerkennung, 1947 verfasste sie das Manuskript über die Die weiße Rose, das 1952 als Buch erschien. Sie gründete die Volkshochschule Ulm 1946 und war später Mitbegründerin der Hochschule für Gestaltung in Ulm.
Das Andenken an Sophie Scholl wurde dann recht schnell in den Gründungsmythos der Bundesrepublik inkorporiert (siehe oben). Derzeit gibt es rund 200 Schulen mit dem Namen der Geschwister Scholl.
Frau Geyken wies dann noch auf die Erweiterung des Widerstandsbegriffes durch Detlev Peukert hin: Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde. Anpassung, Ausmerze und Aufbegehren unter dem Nationalsozialismus, Köln 1982.
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